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Ferdinand Hodler 1853 - 1918
Description
- Ferdinand Hodler
- LESENDER PFARRER- rectoREADING PRIEST - rectoBILDNIS EINER JUNGEN FRAU - versoPORTRAIT OF A YOUNG LADY - verso
- Unten rechts signiert - recto
- Öl auf Leinwand
- 71 x 51 cm
Provenance
L. Pachoud, La Tour-de-Peilz, um 1890-(1938)
Privatbesitz, Schweiz (1992)
Wechselnder Privatbesitz, Schweiz
Exhibited
Langenthal, Kunstverein Oberaargau (Altes Gemeindehaus), Ferdinand Hodler und der Oberaargau, 1992, S. 70, Nr. 73, abgebildet (Der lesende Pfarrer)
Literature
C(arl) A(lbert) Loosli, Nachtrag zum Generalkatalog der Gemälde von Ferdinand Hodler, 1924-1959, Bern 1938, vgl. Nr. 2731 (Vorderseite: Der lesende Pfarrer (grosse Fassung), 1880)
C(arl) A(lbert) Loosli, Nachtrag zum Generalkatalog der Gemälde von Ferdinand Hodler, 1924-1959, unpubliziert, Bern 1938, Nr. 2731 (Rückseite: Damenbildnis (unvollendet), 1879(?))
Jura Brüschweiler, Ferdinand Hodler, Chronologische Übersicht: Biographie, Werk, Rezensionen, in: Ferdinand Hodler, Ausstellungskatalog, Nationalgalerie Berlin; Musée du Peit Palais, Paris; Kunsthaus, Zürich; Bern 1983, S. 73 (Lesender Pfarrer, 1885)
Ferdinand Hodler und der Oberaargau, Ausstellungskatalog, Kunstverein Oberaargau (Altes Gemeindehaus), Langenthal 1992, Nr. 73 (Der lesende Pfarrer), S. 70, abgebildet
Catalogue Note
Gemalt um 1885 bzw. 1880.
Die vorliegende Leinwand wurde von Hodler beidseitig bemalt. Auf der Rückseite befindet sich das Porträt einer Unbekannten, das wohl um 1880 entstanden ist, doch vom Künstler in unvollendetem Zustand belassen wurde. Die Vorderseite zeigt einen Gelehrten in schwarzer Robe, der, vor einem Tisch mit Schreibutensilien stehend, ganz in das Buch in seinen Händen vertieft ist und stets als Darstellung eines Pfarrers interpretiert wurde. Hodler dürfte diese um 1885 ausgeführt haben; der hier wiedergegebene Alte stand ihm für verschiedene Mitte der 1880er Jahre gemalte Bilder Modell. Mit dem Motiv des Lesens beschäftige sich Hodler ab Mitte der 1870er Jahre. Neben einigen wenigen Bildnissen, in denen sich die Porträtierten ihrer Lektüre widmen, schuf er wiederholt Genreszenen, die Briefe, Zeitung oder andere Schriftstücke lesende Figuren wiedergeben. Auch die Skizzenhefte belegen sein lebhaftes Interesse an diesem Sujet. Bis Anfang der 1890er Jahre hielt er darin stets von neuem verschiedene für das Lesen charakteristische Körperhaltungen fest. Während Hodler im vorliegenden Werk durch den Tisch, das darauf liegende Papier und das Tintenfass mit Feder zum einen die räumliche Situation umriss und zum andern die Möglichkeit zum Festhalten von Notizen andeutete, verzichtete er in einer weiteren Fassung, die sich heute in der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte in Winterthur befindet (Abb.), auf die Wiedergabe von Mobiliar und Schreibzeug, wodurch die Figur bzw. der Akt des Lesens stärker ins Zentrum rückte. Dass es sich bei der vorliegenden Darstellung um die Erstfassung handelt, zeigen sowohl stilkritische wie auch kunsttechnologische Beobachtungen. Zwar experimentierte Hodler in beiden Versionen mit der Stellung des Fensters, das ursprünglich in beiden Bildern grösser angesetzt war, doch weist der mehrschichtige und kleinteilige Farbauftrag, der eine stärkere Körperlichkeit erzeugt, das vorliegende Werk als erste Darstellung aus. Die beidseitig bemalte Wiedergabe des Lesenden Pfarrers zeigt zudem eine im Œuvre Hodlers bislang noch nicht angetroffene Technik. Um besondere Lichteffekte zu erzielen, verwendete er sowohl unter die Farbe gemischtes als auch auf der obersten Malschicht aufgetragenes Messingpulver, beispielsweise beim Goldschnitt des Buches, dem oberen Bereich des roten Vorhangs, dem auf dem Tisch liegenden Papier oder dem linken Ohr der Figur. Als Folge einer Reaktion mit Bestandteilen des Bindemittels schimmern die Messingpartikel heute zum Teil grünlich. In der Wiederholung des Sujets imitierte Hodler die in der ersten Fassung mittels Messingpulver hervorgehobenen Stellen teilweise durch einen leicht rötlich-gelben Farbton.
Wir danken Regula Bolleter, Co-Autorin Werkkatalog Ferdinand Hodler, vom Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft SIK-ISEA, Zürich, für den Textbeitrag.