Lot 37
  • 37

Ferdinand Hodler 1853 - 1918

Estimate
25,000 - 30,000 CHF
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Description

  • Ferdinand Hodler
  • SCHWÖRENDER IM LINKSPROFIL ZUR "EINMÜTIGKEIT" TAKER OF THE OATH IN LEFT PROFILE FOR "UNANIMITY"
  • Unten rechts signiert
  • Öl auf Papier auf Leinwand
  • 41 x 20,5 cm (Lichtmass)
Dieses Gemälde ist im Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft, Zürich, unter der Archiv-Nummer 79 053 inventarisiert.



Diese Studie zur "Einmütigkeit" wird in den Band 3, Die Figurenbilder, des Catalogue raisonné der Gemälde von Ferdinand Hodler des Schweizerischen Instituts für Kunstwissenschaft, Zürich, aufgenommen.

Catalogue Note

Die Sammlung Jeanne Charles Cerani-Cišić (Lose 37 bis 49)

Jeanne Charles gehörte wie Berthe Hodler, Valentine Godé-Darel und Letizia Raviola zu den beliebtesten Modellen von Ferdinand Hodler. Während fünfzehn Jahren stand sie ihm für einige seiner wichtigsten symbolistischen Werke Modell. Erstmals erscheint sie 1901 in der vierfigurigen Komposition der Empfindung, 1904 taucht sie als Einzelfigur in der Abendruhe auf und später in den grossformatigen Kompositionen Heilige Stunde sowie, gemeinsam mit ihren Schwestern Clairette und Phylomène, in Blick in die Unendlichkeit. Ihr Kopf zierte die Rückseite der 50-Franken Banknote, die Hodler im Auftrag der Schweizerischen Nationalbank zwischen 1909 und 1910 entworfen hatte. In diese Zeit fallen zahlreiche Kopfstudien von Jeanne Charles Cerani, die Hodler in Bleistift und Feder ausführte.

Jeanne Charles wurde 1874 in Lyon geboren. 1905 heiratete sie den Musiker Antoine Cerani und zog mit ihm nach Bonneville, einer rund 30 km südöstlich von Genf im französischen Departement Haute Savoie gelegenen Ortschaft. Nach dem Tod ihres Ehemannes im Jahr 1914 wohnte sie in Genf und heiratete 1919 den achtzehn Jahre jüngeren Bosnier Mehmed Cišić aus Mostar. Bedingt durch den Beruf des Ehemannes, der als Sekretär des Generalkonsuls des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen tätig war, liess sich das Paar 1921 in Chicago, 1927 in Montreal und 1929 in Belgrad nieder. Jeanne Charles Cerani-Cišić  starb 1955, wenige Monate vor ihrem Ehemann, in Mostar.

Einen wertvollen Fundus bietet die ausführliche Korrespondenz, die in rund 150 Briefen und Postkarten die Kontakte zwischen Ferdinand Hodler und Jeanne Charles Cerani dokumentiert. Einige Schreiben enthalten kurze Grussbotschaften, andere beziehen sich auf die Treffen zwischen Maler und Modell: «Chère Madame, je vous ai adressé une lettre mardi. Voici 15 frs. Comme il fait trop froid je ne vous demande pas de poser ces jours. J'irai vous voir un moment si on vous trouve. Amitié. Hodler»

Mehrere Schriftstücke, in denen Hodler sein Modell vertraulich «Jeanne» nennt, geben Aufschluss über die ambivalente Liebesbeziehung. Hodler schickte Jeanne Charles Postkarten u.a. aus Pisa, Rom, Paris und Baden bei Wien. Ebenso bezeugte er ihr seine Freundschaft mit Fotografien, die sie über seine Abwesenheit hinwegtrösten sollten. Wie aus einigen Dokumenten hervorgeht, war er mehrmals bei ihr zu Gast in Bonneville. Anlässlich dieser Besuche entstanden einige Landschaftsbilder mit Motiven aus der näheren Umgebung von Bonneville. Hodler porträtierte Jeanne Charles Cerani in vier Gemälden en face und in einer Profilansicht, mit der er an die Bildtradition der Renaissance anknüpfte.

Neben ihrer Bedeutung als bevorzugtes Modell und Geliebte verbindet sich mit dem Namen Jeanne Charles eine umfangreiche Sammlung von Hodler-Werken. Das Gros der auf 200 geschätzten Arbeiten setzt sich aus Bleistift- und Federzeichnungen zusammen. Der Anteil an Gemälden beläuft sich auf rund zwei Dutzend. Jeanne Charles stellte ihre Sammlung 1921 in The Arts Club of Chicago aus und präsentierte sie ein weiteres Mal 1927 in der Ausstellung Exhibition of Original Drawings by Ferdinand Hodler in The Art Center in New York. Teile der Sammlung Jeanne Charles Cerani-Cišić kaufte 1966 das Institut für den Schutz des kulturellen Erbes der Stadt Sarajevo. Dieser Bestand wird seit 1983 in der Kunstgalerie von Bosnien und Herzegowina, Sarajevo (früher Nationalgalerie von Bosnien und Herzegowina), aufbewahrt. Die Werke aus der Sammlung, die sich nicht in Museumsbesitz befinden, werden nun in dieser Auktion erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.

Die Sammlung Jeanne Charles Cerani-Cišić der Kunstgalerie von Bosnien und Herzegowina in Sarajevo war in der Schweiz 1978 im Kunstmuseum Bern unter dem Titel Eine unbekannte Hodler-Sammlung aus Sarajevo zu sehen und ein weiteres Mal  1998 im Kunstmuseum Olten. In beiden Ausstellungskatalogen wurde die Rolle von Jeanne Charles als Malerin und Sammlerin beleuchtet. Einige Bilder von ihr, wie das Aquarell einer Berglandschaft, das sie nach einer Vorlage von Hodler gemalt hatte, sowie weitere Gouache- Zeichnungen, dokumentieren ihr Interesse am bildnerischen Gestalten. Nachweislich überarbeitete Jeanne Charles einige von Hodlers Zeichnungen und Ölbilder, indem sie die Blätter stellenweise kolorierte oder sie mit Blei- oder Farbstiften motivisch ergänzte, so zum Beispiel bei der Zeichnung Trauerndes Weib, wo sie u. a. weitere Grashalme hinzufügte. Die mit Tusche oder Farbe angebrachten Schattierungen, wie bei einer Studie zum Tag, zählen zu den geringfügigen Eingriffen. Unter die gravierenderen Manipulationen fallen die Hinzufügung von Signatur und Monogramm.

Die Werke aus Privatbesitz der Sammlung Jeanne Charles Cerani-Cišić können ebenfalls nicht alle ausschliesslich Hodler zugeschrieben werden, wie den Nachweisen der Lose zu entnehmen ist. Dennoch enthält das Konvolut interessante Entwürfe und Studien, die einen Einblick in die Werkgenese einiger Arbeiten von Hodler vermitteln. Unbestritten bleibt der dokumentarische und kulturelle Wert der hier präsentierten Gruppe, die eine wichtige Ergänzung zur Sammlung Jeanne Charles Cerani-Cišić in der Kunstgalerie in Sarajevo darstellt.    

Wir danken Frau Dr. Monika Brunner vom Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft, Zürich, für den Textbeitrag.

Wir danken dem wissenschaftlichen Team Oeuvrekatalog Ferdinand Hodler vom Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft, Zürich, insbesondere Herrn Paul Müller, lic. phil. und Frau Dr. Monika Brunner für die fachliche Unterstützung und Beratung bei der Katalogisierung der Lose 37 bis 49.