- 53
Ferdinand Hodler 1853-1918
Description
- Ferdinand Hodler
- GENFERSEE MIT JURA (LANDSCHAFTLICHER FORMENRHYTHMUS), 1909 LAKE GENEVA WITH JURA (LANDSCAPE RHYTHM OF FORMS), 1909
- Unten rechts signiert und datiert
- Öl auf Leinwand
- 44,5 x 64,5 cm
Provenance
Direkt vom Künstler an die Familie der heutigen Besitzer (seit 1909)
Exhibited
Ev. Basel, Kunsthalle, F. Hodler, 1934, Nr. 69 (Am Genfersee, 1909)
Wir danken dem Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft, Zürich, für die Angaben zur Provenienz und Ausstellung.
Catalogue Note
In den Jahren 1908 bis 1911 malte Ferdinand Hodler eine Serie von dreizehn Gemälden, die den Genfersee von der südlichen Uferseite aus mit Blick auf den französisch-schweizerischen Jura wiedergeben. Der Titel dieser Darstellungen stammt vom Künstler selbst und verweist auf dessen parallelistisches Gestaltungsprinzip. Hodler versah eine Skizze, die einer Fassung in Privatbesitz zugeordnet werden kann, mit der Bezeichnung «Landschaftlicher Formenrhythmus». Im Zentrum des Interesses stand das Wechselspiel der in unterschiedlichen Intervallen aufeinander folgenden Horizontalen. Hodler variierte die in der Natur vorgefundene Abfolge von Seefläche, gegenüberliegendem Uferstreifen mit Gebirge und Himmelsbereich mit Wolkengebilden immer wieder von neuem. Letztere setzen vertikale Akzente und rhythmisieren wie ihre Spiegelungen im Wasser die ohne seitliche Begrenzung in waagrechten Schichten gegliederten Darstellungen zusätzlich. Dass für dieses Kompositionsschema ausser der Repetition der Bildelemente bzw. der Formen auch die Wiederholung der Farbwerte von Bedeutung ist, zeigt nebst einem weiteren Skizzenblatt mit der Randnotiz «Formen Rhythmus / Farben Rhythmus» das vorliegende Werk beispielhaft. So finden sich die für das Wasser und die Spiegelungen verwendeten Blaugrau-, Grün- und Weisstöne ebenfalls im Himmel und in den mit einem äusserst lockeren Pinselduktus ausgeführten Wolken wieder. Im Unterschied zu der um 1908 entstandenen Version, die sich heute in Privatbesitz befindet, wählte der Künstler für die vorliegende Arbeit aber nicht nur ein anderes Bildformat, sondern er gab auch andere Licht- und Wetterverhältnisse wieder. Während dort die Silhouette des Juras klar erkennbar ist und die Kumuli am blauen Himmel stehen, ist das Gebirge im vorliegenden Gemälde im Dunst verborgen, und die sich auftürmenden Wolken, die eine prominente Stellung einnehmen, lassen ein aufziehendes Gewitter erahnen. Das Gliedern der Darstellung durch rhythmisches Wiederholen von Bildelementen beschäftigte Hodler seit seinem Studium bei Barthélemy Menn. Ab 1908 widmete er sich aber besonders intensiv dem Thema des Rhythmus in der Malerei, was auch seine Figurendarstellungen belegen. Jenes Jahr war zu einem grossen Teil von der Auftragsarbeit Auszug deutscher Studenten in den Freiheitskrieg von 1913 geprägt, die Hodler für die Universität Jena ausführte. Diese Komposition ist von aufgereihten Figuren sowie der rhythmischen Wiederholung und Entsprechung ihrer Bewegungen bestimmt und weist mit der horizontal-parallelen Anlage Analogien zu den verschiedenen Versionen des Landschaftlichen Formenrhythmus auf. Den Mäher, den der Künstler ebenfalls in mehreren Fassungen ausführte und von dem erste Entwürfe 1908/09 entstanden sind, hätte Hodler laut seinem Biographen C. A. Loosli – der gleichmässigen Bewegung des Mähens entsprechend – gerne als Rhythmus betitelt. Hodler genoss in jenen Jahren national wie international grosse Anerkennung und seine Werke fanden reissenden Absatz. Dies musste auch der erste Besitzer des vorliegenden Gemäldes erfahren, als er sich beim Künstler nach einem verkäuflichen Werk erkundigte. «Sie wünschten also eine Landschaft von mir [...]», schrieb ihm Hodler im Jahr 1908. «Kleinere Seelandschaften habe ich vorläufig nicht: alle sind in Privathänden. Es wäre also besser, dass sie bis nächstes Frühjahr warten würden, wo ich wieder im Freien arbeiten werde» (Brief vom 12.1.1908, Privatbesitz). Im Dezember 1909 erwarb der der besagte Kaufinteressent schliesslich das vorliegende Gemälde, das seit damals in Familienbesitz verblieben ist. Er bildete es gar in einem seiner zahlreichen Bücher ab.
Wir danken Regula Bolleter, lic. phil., wissenschaftliche Mitarbeiterin Catalogue raisonné Ferdinand Hodler, vom Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft, Zürich, für den Textbeitrag.