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Albert Anker 1831-1910
Description
- Albert Anker
- DIE KARTENLEGERIN, 1880 FORTUNE TELLER, 1880
- Unten links signiert und datiert
- Öl auf Leinwand
- 70,5 x 94,5 cm
Catalogue Note
Unter dem 5. Januar 1881 findet sich im Livre de vente, dem Verkaufsbuch, in das Albert Anker jeweils seine Veräusserungen samt den erhaltenen Summen eingetragen hat, folgendes: "de M.Wallis pour la vieille tireuse de cartes 2000". Dies war ein recht hoher Betrag, bedenkt man, dass Anker fünf Monate später für 3000 Franken an denselben Londoner Händler gleich drei Werke ablieferte, die alle von recht ansehnlichem Format sind – eine Version des Quacksalbers, eine der zwei Fassungen des Grossvaters mit Enkelkind sowie eine Strickende (Livre de vente: 13.Juni 1881: de M.Wallis pr le pharmacien, "la sieste" et une tricoteuse 3000.) Und bereits 1879 hat Anker eine Variante von Der Wucherer für nur 700 Franken an Wallis abgetreten, ein Werk, von dem er vier Jahre später eine neue Version für 1800 Franken an einen anderen englischen Kunsthändler absetzte. Anderseits hatte Anker am 12. Juli 1880 vom Basler Museum für die erste wenn auch grössere Version des Quacksalbers – mit umfangreicherem Figurenrepertoire ausgestattet - gar 3000 Franken erhalten. Das Bild der Kartenlegerin ist unlängst in England aufgetaucht. In einer ländlichen, dunkel getäferten engen Stube mit schwerer eisenbeschlagener Türe sitzt am Tisch am Fenster eine alte Frau in rotem Kopftuch und grünem Kleid, ein Schal hat sie sich über die Schultern gebunden. Vor ihr sind Spielkarten ausgebreitet, eine hat sie gezogen und streckt sie mit der linken Hand weit von sich, der Zeigefinger der Rechten ruht auf einer andern, einer Herzbube-Karte. Es ist durchaus möglich, dass sie den zwei jungen Frauen, die gespannt und erwartungsvoll neben ihr stehen, Heiratsausssichten prophezeit. Die Blonde mit hochgestecktem Zopf, gekleidet in hell-gestreiftem Wams und blauem Rock, schielt beinahe skeptisch auf die Alte, sie gibt beruhigenden Halt der in Berner Tracht gekleideten Begleiterin, indem sie ihr schützend die Hand auf die Schulter legt. Aufmerksam hören die beiden zu, was offenbar den gelegten Karten zu entnehmen ist. Die Figuren sind in warm einströmendes Licht getaucht, das Fenster reflektiert sich in den auf dem Sims aufgereihten Krügen – das Interieur ist uns auch von anderen Werken Ankers vertraut, etwa vom Quacksalber. Es ist durchaus möglich, dass sich in England noch weitere Werke von Albert Anker befinden, von denen wir noch keine Kenntnis haben, hatte doch der Künstler dort in Henry Wallis einen umtriebigen Kunsthändler gefunden. Wiederholt taucht sein Name vor allem Ende der 1870er Jahre auf. Anker hatte Henry Wallis 1875 durch seinen Pariser Händler Adolphe Goupil kennengelernt und stand bis 1881 mit ihm in geschäftlicher Verbindung. Danach zog sich Wallis vermutlich vom Kunsthandel zurück – er starb 1890. Nach Wallis war es in England vorwiegend Edward Tooth, der Anker zuweilen Werke abgenommen hat. Quacksalber, Wucherer, Kartenschlägerin – die Themen konvergieren durchaus, bezeichnen doch alle eher undurchsichtige Gestalten, die auch im vermeintlich idyllischen Dorf in Erscheinung traten. An ihnen fanden die Engländer offensichtlich Interesse. Karten zu befragen, um die Zukunft zu erfahren, ist eine alte Tradition, die oft auch über Generationen weitergegeben wurde und gerade im 19. Jahrhundert eine wahre Blüte erlebt hat. Der Brauch hat sich selbstverständlich auch in Ins eingenistet. Die meisten seiner mehrfigurigen Gemälde hat Anker sorgfältig vorbereitet; der endgültigen Ausführung gingen oft Vorstudien voran. Es gibt auch eine vorbereitende Ölstudie (Werkkatalog Nr. 659) für die Handstellung eines "Kartenschlägers" (Musée d'art et d'histoire Neuchâtel) ) sowie Aquarellvarianten des Motivs. Auch zu dieser Kartenlegerin existiert eine Kohle-Studie, auf der der Künstler die Anordnung der drei um den mit Karten ausgelegten Tisch platzierten Figuren grob skizziert hat. All die subtilen Nuncierungen in den Gesichtern sowie die raffinierten textilen Details, wie sie im Gemälde vorkommen werden, sind jedoch noch nicht angedeutet.
Wir danken Frau Dr. Therese Bhattacharya-Stettler für den Textbeitrag.